Die Neuvermessung des Bodensees

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Projekt „Tiefenschärfe“ geht Unterwasserwelt auf den Grund
Mit hochmoderner Technik wird derzeit der Bodenseegrund neu vermessen und kartiert. Das grenzübergreifende, von der EU geförderte Projekt „Tiefenschärfe – Hochauflösende Vermessung Bodensee“ wird ein detailgenaues Modell des Seebeckens liefern. Die Datendichte ist dabei um das hundert- bis tausendfache höher als beim letzten Aufmaß, dessen Ergebnisse 1990 veröffentlicht wurden. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag für einen innovativen Gewässerschutz.

Im Mai 2012 befürwortete die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) das Projekt „Tiefenschärfe – Hochauflösende Vermessung Bodensee“. Im November 2012 begannen die Vorbereitungen, im April 2013 ging es an den Start. Eineinhalb Jahre lang wird nun das Becken des drittgrößten mitteleuropäischen Sees mit Fächerecholot und Laserscanner von Schiff und Flugzeug aus lückenlos vermessen. Bis Mitte 2015 folgt die Auswertung und Zusammenführung der Messergebnisse. Die IGKB und das ausführende Institut für Seenforschung Langenargen (ISF) der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) erheben mit dem Projekt eine enorme Datenmenge, die den bisherigen Wissensstand über den Seeboden und dort ablaufende Prozesse revolutionieren wird. Die Europäische Union fördert das Vorhaben im Rahmen ihres Regionalprogramms Interreg IV und würdigt das Projekt als Beitrag zum Erhalt der natürlichen Ressourcen und des kulturellen Erbes sowie zum Schutz vor Naturgefahren.

Nur was man kennt, kann man schützen
Das Wissen um die genaue Bodentopographie soll in Zukunft helfen, eine Vielzahl wissenschaftlicher und wasserwirtschaftlicher Fragen zu beantworten. Die hochauflösenden Grundlagendaten kommen der Wissenschaft ebenso zugute wie der Wasserwirtschaft, den Kommunen und Behörden – etwa bei der Beurteilung der Planung wasserbaulicher Maßnahmen wie Badestege, Versorgungsleitungen oder Einleitungen in das Gewässer. Auch für Archäologie, Natur- und Denkmalschutz sowie Schifffahrt und Touristik ist eine genaue Kenntnis des Gewässerbodens von hoher Bedeutung. Wenn beispielsweise aufgrund von niedrigen Wasserständen die Weiße Flotte nicht mehr überall anlegen kann und Ausbaggerungen geplant werden, kann das neue Datenmaterial elementare Informationen über die zugrundeliegende Sedimentdynamik liefern. Zusätzlich können Erkenntnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabschätzung erlangt werden, etwa, was die Ausbreitung von Schadstoffen oder Treibholz angeht. Auch Privatleute werden die Daten nutzen können. Abenteurer und Schatzsucher jedoch, die auf Hinweise auf Wracks oder andere tief verborgene Geheimnisse am Seeboden hoffen, werden die Forscher enttäuschen. Sensible Daten werden nicht veröffentlicht. „Es geht uns vor allem um Erkenntnisse im Dienste der Wissenschaft und Wasserwirtschaft. Die Daten sollen vor allem zu einem nachhaltigen, effektiven Gewässerschutz beitragen. Denn nur was man kennt, kann man auch entsprechend schützen“, erklärt Projektkoordinator Dr. Heinz Gerd Schröder, Leiter des Instituts für Seenforschung Langenargen.

In den Fußstapfen Graf Zeppelins
Ganz unbekannt ist der Bodensee natürlich nicht: Das Gewässer hat eine Fläche von 536 Quadratkilometern und ist zwischen Bregenz und Bodman-Ludwigshafen 63 Kilometer lang, zwischen Friedrichshafen und Romanshorn 14 Kilometer breit und misst an seiner tiefsten Stelle zwischen Fischbach und Uttwil 254 Meter. Dieses Wissen verdanken wir unter anderem Ferdinand Graf von Zeppelin, der den Bodensee 1893 zum ersten Mal vermessen hat. Eine weitere Vermessung fand zwischen 1986 und 1990 im Auftrag der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) statt. Dabei nahmen die Forscher im Abstand von 200 Metern Echolotprofile auf, ergänzten diese mit Orthofotos aus der Flachwasserzone und errechneten auf Grundlage der Daten ein Geländemodell. Doch seit der letzten Vermessung gab es sowohl in der Vermessungs- als auch in der Computertechnik gravierende Fortschritte, die selbst die hundertjährige Entwicklung zwischen 1893 und 1990 in den Schatten stellen.

Faszinierende Technik
Ähnlich wie das hochauflösende digitale Fernsehen geben neue hydroakustische und lasergestützte Verfahren spektakulär genaue Einblicke in die Unterwassertopographie. Moderne Fächerecholote und Laserscanner ermöglichen in ihrer Kombination eine um das hundert- bis tausendfach höhere Datendichte. Computerleistung und Software von 2013 gestatten ganz neue Darstellungs- und Analysemöglichkeiten mit enormem Informationsgewinn. Ein Fächerecholot kommt bei der aktuellen Neuvermessung vor allem in den tieferen Wasserabschnitten an Bord des FS Kormoran zum Einsatz. Simultan werden mehrere hundert vom Seeboden reflektierte Schallsignale vom Computer ausgewertet und zu einem hochauflösenden 3D-Modell zusammengesetzt. In den flacheren Zonen erfolgt die Datenerhebung vom Flugzeug aus durch „LIDAR“, eine dem Radar ähnliche Abstandsmessmethode, bei der ein grüner Laserstrahl den Gewässerboden flächendeckend abtastet. Mit diesen innovativen Verfahren lassen sich Unterwasserobjekte, die Flachwasserzone und die unmittelbaren Uferbereiche vermessen. Wenn alles nach Plan läuft, kann das Projekt Ende Juni 2015 abgeschlossen werden.

Gemeinsam für den Bodensee
Kennzeichnend für das Forschungsprojekt „Tiefenschärfe“ ist auch das gemeinsame Wirken der Projektpartner aus allen an den Bodensee angrenzenden Ländern. Entstanden ist die Idee zur Neuvermessung am Institut für Seenforschung in Langenargen (ISF), das sich seit mehr als neunzig Jahren für den Schutz des Ökosystems Bodensee und den vorsorgenden Gewässerschutz einsetzt. Das Institut plant und koordiniert das Vorhaben und begleitet es wissenschaftlich. Projektträger ist die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB), die sich aus Vertretern der Länder und Kantone aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für die Reinhaltung des Bodensees engagiert. Partner des Projektes sind die Länder, vertreten durch die jeweiligen Vermessungsverwaltungen. Vor Projektbeginn hatte eine internationale Arbeitsgruppe das Projekt auf seine Realisierbarkeit untersucht und den Aufwand sowie Kosten und Nutzen evaluiert. Das Expertenteam unter der Leitung von Dr. Martin Wessels, Geologe am Institut für Seenforschung Langenargen, bestand aus Vertretern der Wasserwirtschaft, der Verwaltungen, der Denkmalpflege, der Wasserwerke und der Wissenschaft aller beteiligten Partner. Mit dem Regionalprogramm Interreg IV trägt die Europäische Union maßgeblich zur Finanzierung der Gesamtkosten von rund 612.000 Euro bei. Die restlichen Kosten tragen die Länder selbst.

Informationen: www.tiefenschaerfe-bodensee.info

Forschungsschiff Kormoran 004 Die Messdaten werden schon an Bord kontinuierlich vorprozessiert. Bildnachweis: Lorth Gessler Mittelstaedt

Forschungsschiff Kormoran 004
Die Messdaten werden schon an Bord kontinuierlich vorprozessiert.
Bildnachweis: Lorth Gessler Mittelstaedt

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